Illustration zu offenem Feedback

So gelingt wirksame Führungskräfteentwicklung

«Die Aufgabe der Führung besteht nicht darin, den Menschen Grösse zu verleihen, sondern sie hervorzulocken, denn die Grösse ist bereits vorhanden.» (John Buchan 1930, zitiert nach Adair 2005, S. 165). Die Ansicht, die der englische Politiker und Schriftsteller John Buchan vor bald 100 Jahren vertrat, ist heute vielleicht sogar relevanter als sie es in früheren Industriezeitaltern war. Komplexe Aufgaben verlangen exzellente menschliche Ressourcen und herausragende Fach- und Führungskräfte sind auf einem umkämpften Arbeitsmarkt mitunter seltener als seltene Erden – beides wichtige Ressourcen der Industrie 4.0.

Umso wichtiger ist es für Unternehmen, eigene Führungskräfte gezielt zu fördern oder neue Führungskompetenz aus dem Personalstamm heraus zu entwickeln. Wie das gelingen kann, erfährst Du in diesem Beitrag.

Was ist Führungskräfteentwicklung?

Führungskräfte sind entscheidend für den Unternehmenserfolg. Deshalb ist die Führungsentwicklung ein so wichtiger Aspekt der Personalentwicklung. Eine für alle Bereiche und Bedarfe sinnvolle Definition von Führungskräfteentwicklung gibt es nicht – es sei denn, man würde auf sehr allgemeine und wenig hilfreiche Formulierungen wie «gezielte Förderung und Entwicklung von Führungskompetenzen» zurückgreifen. So etwas liest man oft, aber es ist wenig hilfreich für eine konkrete Umsetzung.

Viel besser ist es, sich dem Thema über die Zielsetzung zu nähern: Führungskräfte zu entwickeln hat das Ziel, Führungskompetenzen von Mitarbeitenden zeitlich und qualitativ bedarfsgerecht zu fördern – damit potenzielle Führungskräfte genau dann bereit sind, Führungspositionen zu übernehmen, wenn sie gebraucht werden. Nachwuchsführungskräfte sollen rechtzeitig auf anstehende Aufgaben vorbereitet werden. Gleichzeitig sollen aktive Führungskräfte in ihrer Führungskompetenz weiterentwickelt werden (Bartscher & Nissen).

Konkret ausgedrückt bedeutet das: Unter Führungskräfteentwicklung werden alle die
Massnahmen verstanden, mit denen Qualifikationen von Führungskräften einerseits erfasst und bewertet und andererseits durch gesteuerte Lernprozesse aktiv optimiert werden (Bausch 2019, 36). Kurz gesagt: Führungskräfteentwicklung zielt darauf ab, die Wirksamkeit von Führungskräften zu steigern.

Warum müssen Führungskräfte entwickelt werden?

Das wirtschaftliche Umfeld und mit ihm die alltäglichen beruflichen Aufgaben und Herausforderungen unterlagen schon immer einem beständigen Wandel. Was gestern noch State-of-the-Art war, wird durch neue Methoden oder Techniken ersetzt. Um die Herausforderungen der beruflichen Gegenwart meistern zu können, müssen alle Mitarbeiter:innen eines Unternehmens in ihren Kompetenzen kontinuierlich weiterentwickelt werden. Das gilt in besonderem Masse für Führungskräfte, die über mehr Kompetenzen verfügen müssen als nur sachorientiertes Branchenwissen.

Die Informationsgesellschafft schafft neue Herausforderungen

Die Transformation von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft beeinflusst die Anforderungen an Führungskräfte zusätzlich. Früher mag der Fokus von Führungskräften primär auf der effizienten Gestaltung und Kontrolle von Produktionsabläufen gelegen haben. Wenn die Führungsetage hinreichend mit branchenspezifischem Fachwissen ausgestattet war, schien das schon der Garant des Unternehmenserfolgs zu sein.

Die heutige Informationsgesellschaft ist geprägt durch einen Wandel bei der Unternehmens- und Arbeitsorganisation. Die Tendenz zur Dezentralisierung und Flexibilisierung von Prozessen und Aufgaben stellt auch Führung vor neue Herausforderungen. Unternehmensinterne Prozesse werden wissensintensiver, komplexer und kommunikativer. Für Manager:innen bedeutet das: Neben dem fachlichen Wissen gewinnen vor allem sozial-kommunikative und organisatorische Kompetenzen immer mehr an Bedeutung (Stadlbauer 2008, S. 21). Die Anforderungen an Führungskräfte in diesen Kompetenzfeldern steigen.

Softskills als Schlüsselkompetenz

Zu den klassischen Schlüsselqualifikationen treten damit vor allem die sogenannten Softskills: soziale und emotionale Kompetenzen wie etwa die Fähigkeit zur Moderation und zur Teamarbeit. Moderne Fachkräfte und Leistungsträger:innen wollen zeitgemäss geführt werden und erwarten von ihren Vorgesetzten soziale Kompetenzen. In einem von Fachkräftemangel geprägten Wirtschaftsumfeld kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, seinen wertvollen Personalstamm zu riskieren und wertgeschätzte Mitarbeiter:innen an die Konkurrenz zu verlieren.

Deshalb wird die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und die Umsetzung von Strategien auch durch unzureichende soziale Führungskompetenz gefährdet (Bausch 2019, S. 37). Zunehmend kommt es auf Führungsqualität an. Nicht nur auf die fachliche und individuelle Qualität der jeweils einzelnen Führungskräfte, sondern auch auf deren kollektives Zusammenspiel. Ausserdem sind Führungskompetenzen gefragt, um auf die zunehmende Diversität der Mitarbeitenden zu reagieren und deren Selbstständigkeit zu fördern. Schliesslich fördert Führungsqualität die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen und darüber deren Bindung an das Unternehmen – gerade in Zeiten allgemeinen Fachkräftemangels ein unschätzbarer Wert.

Welche Modelle der Führungskräfteentwicklung gibt es?

Die Methoden der Führungskräfteentwicklung entstammen prinzipiell dem Werkzeugkasten der allgemeinen Personalentwicklung. Im Vorfeld ist eine Evaluation der eigenen Unternehmensziele und -abläufe wichtig, aus denen Bedarfe an Führungsqualität abgeleitet werden. Wer wird wo gebraucht? Welchen konkreten Anforderungen muss eine Führungskraft für eine bestimmte Position fachspezifisch und menschlich entsprechen?

Sind die gewünschten und bedarfsgerechten Führungskompetenzen definiert worden, erfolgt ein Abgleich mit den individuellen Kompetenzen der einzelnen Führungskräfte im Unternehmen, wobei deren Stärken und Schwächen analysiert werden. Wer erfüllt die Kriterien bereits, wer kann durch gezielte Förderung auf das erforderliche Kompetenzlevel gebracht werden oder an welchen Stellen bedarf es einer Neueinstellung?

Nach der Festlegung der führungskraftspezifischen Entwicklungsziele gibt es verschiedene Ansätze, um das bestehende und zukünftige Führungspersonal auf diese Qualitätsebene zu hieven:

Intern

  • Trainee-Programme: Junge Mitarbeitende mit Führungsqualitäten werden in alle Unternehmensbereiche eingeführt. Individuelle Fähigkeiten können erkannt und gefördert werden, um auf die Übernahme von Führung vorzubereiten.
  • Training on the Job: Das ist mehr als das Learning-by-doing-Prinzip. Eine sukzessive Erweiterung der Aufgabenfelder und des Verantwortungslevels bereitet gezielt auf Führung vor.
  • Mentoring durch Senior-Führungskräfte: Erfahrene Führungskräfte lassen als Mentor:in Nachwuchskräfte an ihrem Erfahrungsschatz gezielt teilhaben. Zum Beispiel kann der Zugang zu Netzwerken und Unternehmensentscheider:innen eröffnet werden, um eine zunehmende Vertrautheit mit den organisatorischen Regeln und Abläufen zu fördern.
  • Unternehmensinterne Rotation: Die Partizipation an unterschiedlichen Prozessen in verschiedenen Unternehmensbereichen verbessert nicht nur die Gesamtsicht auf das Unternehmen und seine Abläufe, sondern kann zudem individuelle Qualitäten erkennbar machen, die dann gewinnbringend gestärkt werden können.
  • Vorträge und Workshops: Diese können sowohl von kompetenten Vertreter:innen aus dem eigenen Personalstamm oder von externen Spezialist:innen entwickelt und durchgeführt werden .
  • Plan- und Rollenspiele: Sie sind nicht jedermanns Sache und manche Mitarbeiter:innen empfinden Rollenspiele als albern. Gut konzipierte Spiele ermöglichen aber einen Perspektivenwechsel und fördern darüber die Selbstreflexion – eine wichtige Fähigkeit für Führungskräfte.
  • Coaching-Massnahmen im Unternehmen: Auch hier können externe oder interne Coaches zum Einsatz kommen. Coaching ist am besten in solchen Fällen geeignet, wenn konkrete, für die Führungsaufgaben notwendige Spezialkompetenzen – fachliche wie soziale – gezielt gestärkt werden sollen.

Extern

  • Teilnahme an Weiterbildungsmassnahmen wie Seminare, Leadership-Programme: Externe Programme sind vor allem dann sinnvoll, wenn die innerbetrieblichen Ressourcen für eine qualitativ hochwertige Führungskräfteentwicklung nicht ausreichen.
  • Selbststudium: Eigenverantwortliche Weiterbildung der Mitarbeiter:innen unterstützt deren Selbstbestimmung und Kompetenz, sich selbstständig in neue Themen einzuarbeiten. Allerdings ist diese Methode nicht für alle geeignet und die Feedback-Möglichkeiten sind stark eingeschränkt.

Herausforderungen in der Führungskräfteentwicklung

Selbstbestimmtes Lernen ist für die meisten Menschen attraktiver, als es lineare Vorgaben sind. Gerade die «Generation Google» tut sich schwer mit engen Lernkonzepten. Zeitgemässe und zukunftsfähige Führungsentwicklung muss dem Offenheitsanspruch der neuen Führungskräfte-Generation gerecht werden, die grossen Wert auf Flexibilität und Selbstbestimmtheit legt – sonst gerät man auf dem gegenwärtigen Personalmarkt schnell ins Hintertreffen. (Fürstberger 2021, S. XII).

Aber auch wenn soziale Kompetenzen immer wichtiger werden, heisst das nicht, das «klassische» bedeutungslos geworden wären. Auch im 21. Jahrhundert wirkt Führung nach wie vor auf drei Ebenen: strategisch, operativ und teamorientiert. Das Geheimnis des Unternehmenserfolgs ist eine hervorragende Führung auf allen diesen drei Ebenen (Adair 2005, S. 2). Auch ein sozial höchst kompetentes Management hilft dem Unternehmen nicht weiter, wenn es keine zukunftsfähigen Marktstrategien entwickelt. Hieraus erwächst die Herausforderung an moderne Führungskräfteentwicklung: nämlich alle drei Bereiche zu reflektieren und zu fördern.

Die Zeit der generalisierten Führungskräfteentwicklung und Management-Trainings «von der Stange» ist vorbei. Zukünftige Manager:innen bedürfen Entwicklungsoptionen, die einerseits spezialisiert sind und andererseits internationalen Standards entsprechen (Lixenfeld).

Erfolgsfaktor Feedback: So gelingt Führungskräfteentwicklung

Ein gegenwärtiger Unternehmenserfolg mag der unmittelbare Nachweis von guter Führungsqualität sein. Er sagt aber nur bedingt etwas über die zukünftige Entwicklung aus. Die Führungsqualität von morgen muss heute gesichert werden. Hierzu ist neben nackten Zahlen auch das Betriebsklima wichtig, um die Mitarbeiter:innen bei der Stange zu halten. Wie Führung von den «Geführten» wahrgenommen wird, trägt zum Klima bei und ist ein wesentlicher Pfeiler der Führungsqualität. Wichtig ist also, umfassende Bewertungskriterien anzuwenden.

Ein sehr guter Ansatzpunkt, um den Erfolg und die Wirksamkeit von Führungsqualität zu bewerten und abzusichern, sind deshalb Feedbackgespräche. Zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild – also der Einschätzung des eigenen Verhaltens durch andere – bestehen oft grosse Unterschiede (vgl. Pelz 2014, S. 253). Durch eine gute Kenntnis der Aussenwahrnehmung erreichen Führungskräfte Akzeptanz und eine akzeptierte Führungskraft bedeutet effiziente Führung. Auch für die Entwicklung von Führungskräften ist Feedback enorm wertvoll und zielführend. Die heutigen Führungskräfte sind keine einsamen Entscheider:innen, sondern sozial kompetent eingebunden in das Mitarbeitergefüge. Darauf zu reagieren, wie die eigene Führung wahrgenommen wird, und zu lernen, seine Führung dahingehend anzupassen, sollte schon am Anfang des Entwicklungsprozesses zur Führungskraft stehen.

Kontinuierliches Feedback bringt Fremd- und Selbstbild in Einklang

Wie erreicht man als Führungskraft oder auf dem Weg dorthin diese Deckungsgleichheit von Selbst- und Fremdbild? – mit Feedback: der gezielten Rückmeldung, wie das Verhalten von anderen wahrgenommen wird. Je mehr Perspektiven eingeholt werden, desto besser. Traditionelles Feedback, bei dem der Führungskraft von «oben» einseitige Rückmeldung gegeben wird, ist hier wenig zielführend. Beim umfassenden 360-Grad-Feedback oder Multi-Source-Feedback (Pelz 2014, S. 254) wird eine grössere Bandbreite an Positionen einbezogen: Führungskräfte auf höheren Verantwortungsebenen, Kolleg:innen auf der gleichen Verantwortungsebene, Mitarbeiter:innen, Geschäftspartner:innen oder Kund:innen. Das eröffnet den Blick auf die übergeordneten Zusammenhänge. Regelmässiges 360-Grad-Feedback ermöglicht es Führungskräften, sich sinnvoll weiterzuentwickeln und Kompetenzen anzupassen – um so den Erfolg von Morgen zu sichern.

Um Feedback konstruktiv zu gestalten und allen Ansprüchen einer zeitgemäss achtsamen Feedbackkultur gerecht zu werden, stehen heutzutage effektive Feedback-Tools zur Verfügung. Sie erhöhen die Effizienz von Feedback und tragen zum Erfolg der Führungskräfteentwicklung bei.

Fazit

Führungskräfte, die einem Unternehmen bei der Verfolgung seiner Ziele wirklich weiterhelfen, fallen einem nicht zu, sondern müssen zielgerichtet entwickelt werden, um sie auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten. Man kann hierzu auf eine breite Palette unterschiedlicher Trainingsmethoden zurückgreifen, allerdings laufen diese Ansätze ohne konstruktives Feedback oft ins Leere. Feedback gibt (angehenden) Führungskräften die Möglichkeit, ihr Agieren zu reflektieren und anzupassen. Selbstreflexion und die Wertschätzung der Teaminteressen sind wichtige Führungskompetenzen, die über feedbackgestützte Führungskräfteentwicklung gefördert werden.

Quellen

Lixenfeld, C. (2019): Wie sich Führungskräfte weiterentwickeln müssen. Abgerufen von:
https://www.cio.de/a/wie-sich-fuehrungskraefte-weiterentwickeln-muessen,3266686

Bartscher, T. / Nissen, R.: Führungskräfteentwicklung. Abgerufen von:
https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/fuehrungskraefteentwicklung-36145

Pelz, W. (2014): Das 360-Grad-Feedback zur Erkennung und Entwicklung von Potentialträgern. In: Sauer, J. / Cisik, A. (Hgg.): In Deutschland führen die Falschen. Wie sich Unternehmen ändern müssen. Berlin: Quadriga Media. Abgerufen von:
http://www.management-innovation.com/download/360-Grad-Feedback-Entwicklung-Potentialtraeger.pdf

Adair, J. E. (2005): How to Grow Leaders: The Seven Key Principles of Effective Leadership Development. London: Kogan Page

Stadlbauer, C. (2008): Betriebliche Führungskräfte-Entwicklung. Mechanismen der Selbstdisziplinierung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Bausch, D. (2019): Personal- und Führungskräfteentwicklung im digitalen Transformationsprozess am Beispiel der Commerzbank AG (Praxisorientierte Personal- und Organisationsforschung 24). Augsburg/München: Nomos.

Fürstberger, G. (2021): Agile Führungskräfteentwicklung: Wie Führungskräfte selbstbestimmt und bedarfsorientiert lernen. Freiburg: Haufe.