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Wie macht man die Elefanten im Raum für alle sichtbar? Swisscom hat diese Frage mit Pulse beantwortet und die organisatorische Innovationskraft zurück an die Basis gebracht. Wichtigstes Learning: transparentes Feedback verwandelt Elefanten im Raum in Chancen für Verbesserungen. Wir haben mit Philippe Nicod, Group Human Resources Swisscom, gesprochen. Hier sind seine Top-Learnings.
Erkenntnisse aus einem Interview mit Philippe Nicod von Swisscom. Aufgeschrieben von Alexander Faga.
Learning 1: Transparenz führt von Befragung zu Befähigung
Swisscom hatte vor mehreren Jahren eine kulturelle Transformation angestossen, in welcher sie die Grundlagen zur agilen Organisation legte. Dabei definierte sie folgenden Glaubenssatz:
• Mehr Transparenz,
• mehr Eigenverantwortung,
• eine konstruktive Feedbackkultur und
• eine Lernkultur
stärken die Innovationskraft und steigern die Leistungsfähigkeit einer Organisation.
Pulse beschleunigt bei der Transformation zu agilen Arbeitsweisen den riesigen Lernprozess, bestätigt Philippe. In den Anfängen des agilen Arbeitens bei Swisscom war vielen Mitarbeitenden zu Beginn nicht klar, wer genau wofür zuständig ist. Dank der Mitarbeiterumfrage Pulse wurde dies aufgedeckt und für alle sichtbar gemacht. Die Folge: Innerhalb von einem Jahr haben die kritischen Kommentare zum Thema Agilität deutlich abgenommen. Und das wäre ohne Pulse nicht möglich gewesen, so Philippe.
Die Transparenz von Pulse stärkt Werte wie Offenheit und Vertrauen, zwei Hebel erfolgreicher Transformationen. Pulse kann einerseits auf der begonnenen Transformation aufbauen und hilft andererseits, die angestrebte Kultur weiterzuentwickeln.
Vergleich klassische Mitarbeiterbefragung und Pulse
Alte Welt: Klassische Befragung | Neue Welt: Befähigung mit Pulse |
---|---|
Top-down | Bottom-up |
60 Fragen | ca. 3-5 Fragen |
6-9 Monate Wartezeit zwischen Befragung und Verbesserungsmassnahmen | Mitarbeitende setzen Verbesserungsmassnahmen sofort um |
Auswertung durch HR | Auswertung durch Team |
Wenig Vertrauen durch Anonymität | Vertrauensbildung durch Transparenz |
Learning 2: Pulse ermöglicht Verbesserung innerhalb eines PI-Zyklus
Vor der Einführung von Pulse befragte Swisscom, wie viele grosse Unternehmen, ihre Mitarbeiter alle zwei Jahre. Die Erhebung und Auswertung der umfassenden Fragebögen beanspruchten viel Zeit – Veränderungsmassnahmen wurden erst mit einer grossen Verzögerung implementiert. Der Missbrauch der Befragung führte dazu, den Vorgesetzten eins auszuwischen. Begünstigt wurde dies durch die Anonymität. Swisscom stellte den Nutzen der Mitarbeiterbefragung in dieser Form zunehmend in Frage. Der hohe Aufwand und die Problemorientierung waren zwei wichtige Gründe, die zum Entscheid führten, die Mitentwicklung und den Einsatz von Pulse voranzutreiben.
Heute ermöglicht Pulse den Teams, die bei Swisscom nach SAFe (Scaled Agile Framework) arbeiten, die in Pulse identifizierten Verbesserungen zeitnah umzusetzen, also innerhalb eines PI (Product Increment, zwei bis drei Monate).
Learning 3: Pulse hilft Hypothesen zu überprüfen – Beispiel Gesundheitsmanagement
Das Gesundheitsmanagement von Swisscom setzt sich intensiv mit den Pulse Kommentaren zum Thema Stress auseinander und bietet Bereichen mit einem überdurchschnittlichen Stressniveau gezielte Massnahmen an. Dieses Vorgehen hat gewirkt. In den letzten 3 Jahren hat sich das negative Stressniveau laut Philippe erheblich verbessert.
Pulse half, die Hypothese zu widerlegen, dass negativer Stress zu mehr Absenzen führt. Die Untersuchung der Daten zeigte, dass Bereiche mit viel Kurzzeitabsenzen ein tieferes Stressniveau hatten. Also zum Beispiel Call-Center, wo ein Teammitglied kurzfristig ohne Einarbeit die Aufgaben von Kollegen übernimmt, wenn diese abwesend sind.
In Bereichen, in denen jemand kurzfristig nicht ersetzt werden kann, steigt der Stress bei Mitarbeiter. Diese entscheiden sich häufig gegen eine kurze Absenz. Die Folge davon sind lange Ausfälle bis hin zu einem Burnout.
Dank den Kommentaren in Pulse konnten solche differenzierten Erkenntnisse gezogen werden.
Learning 4: Transparenz für 18'000 Mitarbeitende wird akzeptiert
Die Transparenz war bei Swisscom für viele Mitarbeiter zu Beginn neu und ungewohnt. Plötzlich konnte jeder Mitarbeiter die Kommentare aller Kollegen lesen, die Kommentare der Teamkollegen sogar mit Namen. Die Mitarbeiter fragten sich: Was geschieht, wenn ich einen kritischen Kommentar verfasse? Werde ich bei der nächsten Endjahresbeurteilung dafür abgestraft? Oder sind wir als Team bereit, daraus zu lernen? Was, wenn die anderen meine Meinung überhaupt nicht nachvollziehen können? Dient die Transparenz dem Lernen oder ist sie doch nur ein Kontrollinstrument?
Heute wird Pulse gerne genutzt, weil die Mitarbeiter feststellen konnten, dass Lernen bei Pulse im Vordergrund steht. Konkret kann man das an den kritischen Kommentaren sehen, die kontinuierlich zunehmen. Die Organisation hat gelernt, mit der Transparenz umzugehen.
Philippe ist ein überzeugter Verfechter von Transparenz, weil damit das gegenseitige Vertrauen in Teams gestärkt wird und die Alternative schlicht undenkbar geworden ist. Warum anonyme Studien einer Hexenjagd ähneln, zeigt dieser Artikel über nicht-anonymes Feedback.
Philippe Nicod ist Lead des Chapters Future Workforce Management und gestaltet Instrumente, dank welchen die Organisation mehr Wert aus der Zusammenarbeit erzielt. Auf allen Ebenen: zwischen Personen, innerhalb von Teams und abteilungsübergreifend. Kollektive Intelligenz ist seine Leidenschaft.
Philippe Nicod
Lead Chapter Future Workforce Management — Swisscom