Illustration Peer-Feedback bei Creaholic

Von Nils Reisen am 14.07.2022 | 7 Minuten Lesezeit

Pulse Feedback wird von und bei Creaholic gemacht. Creaholic ist eine ungewöhnliche Firma, die dank ihrer Struktur und ihrer Mitarbeitenden erfolgreich Firmen in die Zukunft begleitet. Diese Stärken führen aber auch zu ganz gewöhnlichen Problemen. Wie macht man beispielsweise in solch einem Umfeld sinnvoll Performance Management? Das erfahrt ihr in diesem Artikel.

Creaholic ist eine Innovationsfabrik, die 1986 von Elmar Mock, dem Erfinder der Swatch, gegründet wurde. Wir machen Unternehmen aus allen Branchen fit für die Zukunft. Dabei erfinden wir innovative Produkte und Technologien, befähigen unsere Kunden, eine moderne Unternehmenskultur zu etablieren und helfen ihnen, neue Geschäftsfelder zu entdecken.

Damit das gelingt, braucht es ein ganz besonderes Team: Unternehmer:innen, von denen jede:r ein bestimmtes Wissensgebiet und noch viel mehr Unwissenheitsgebiete mit einbringt. Wir wissen, dass Innovation beides erfordert. So können wir Inspiration aus unerwarteten Orten zu schöpfen und überraschende Lösungen schaffen.

Je mehr wir unsere Kompetenzen stärken und je besser wir mit unsere Kolleg:innen zusammen arbeiten, desto einfacher wird es für uns, gute Erfinder:innen zu sein. Leichter gesagt als getan.

Performance Management bei einem Haufen kreativer Erfinder:innen? Keine leichte Aufgabe!

Performance Management war eine Herausforderung für uns. Dies lag weniger am kreativen Chaos in den Köpfen unserer Erfinder:innen, sondern in erster Linie daran, wie wir aufgestellt sind:

  • Wir arbeiten überwiegend in Projekten mit ständig wechselnden Projektteams
  • Wir haben keine direkte personelle Führung, sondern lediglich eine Geschäftsleitung, die aus drei Personen besteht

Die Leistungsbeurteilung wurde einmal im Jahr von den GL-Mitgliedern gemacht. Diese hatten aber häufig kaum Kontakt mit den Mitarbeitenden, die sie beurteilen sollten. Unsere Mitarbeitenden hatten sehr unterschiedliche Erlebnisse in den Jahresgesprächen und stark variierende Entwicklungspfade.

Die Folge: viel ungenutztes Potenzial und teilweise starker Frust. Uns war klar: Wir brauchten eine bessere Lösung!

Das Problem ist bekannt: Performance Management ist häufig frustrierend

Das Performance Management ist derzeit stark im Wandel. Weltweit führende Unternehmen hinterfragen bestehende Prozesse, und das nicht nur im angelsächsischen Raum, sondern auch zunehmend in Europa (Cappelli & Tavis, 2016).

Besonders im Fokus steht dabei die Leistungsbeurteilung, an der die Kritik sowohl von Mitarbeitenden als auch Führungskräften seit Jahren lauter wird. So glauben z. B. nur 39 % der Führungskräfte, dass Leistungsbeurteilungen, wie sie gerade durchgeführt werden, zur Verbesserung der Geschäftsergebnisse beitragen (Bildungsspiegel, 2016).

Warum ist das so?
Die Leistungsbeurteilungen eines Unternehmens …

  • finden zu selten statt
  • werden von Personen durchgeführt, die die betreffenden Mitarbeitenden nicht beurteilen können
  • beinhalten Themen, die für die Mitarbeitenden nicht relevant sind
  • überfordern Führungskräfte

Performance Reviews und Ratings stellen für einen Grossteil der Führungskräfte eine administrative Hürde dar, ohne den versprochenen Nutzen zu bieten.
Mercer (2017)

Der Frust machte auch nicht vor unserer eigenen Türe halt

Uns war das Problem aus eigener Erfahrung ebenfalls schon lange bekannt. Ich hatte bei meinem vorherigen Arbeitgeber eine ähnliche Konstellation: Als ich ein neues Projekt übernahm, hatte mein Vorgesetzter kaum mehr Berührungspunkte mit mir und meiner Arbeit. Die Folge: Die jährliche Leistungsbeurteilung wirkte plötzlich etwas befremdlich, denn der Chef konnte die Leistung gar nicht mehr wirklich beurteilen.

Meine Projektkollegin Sarah – die das gleiche Problem hatte – und ich lösten das pragmatisch. Wir führten alle drei Monate persönliche und intensive Gespräche und vereinbarten individuelle Entwicklungsziele. Diese wurden jeweils beim nächsten Gespräch evaluiert – und häufig wurde auch in der täglichen Arbeit schon Feedback zur Zielerreichung gegeben.

Als wir in unserer Mitarbeitendenumfrage merkten, dass wir bei Creaholic ein ähnliches Problem hatten, waren erste Verbesserungsideen schnell gefunden – und ein Projektteam auch.

Was wäre, wenn es ein Tool gäbe, mit dem alle bei Creaholic die beste Version ihrer selbst werden könnten?

Frust ist der beste Erfinder – oder so ähnlich. Wir haben uns an die Arbeit gemacht und den Elefanten in drei Teilen verarbeitet:

1) Erst die Basis, dann das Vergnügen

Wie in fast allen unserer Projekte schaffen wir erst einmal eine solide Basis, indem wir die Bedürfnisse der Mitarbeitenden analysiert und unsere Vision, Core Beliefs (Glaubenssätze) und Design-Prinzipien definiert haben. Dies hilft enorm, im Verlauf des Projekts Entscheidungen zu treffen, da man ein klares Ziel und gemeinsame Anhaltspunkte hat. Diese gemeinsame Basis war zentral für die Zusammenarbeit im Team, bei der Ausgestaltung des Tools und bei der Kommunikation im Unternehmen.

2) Zielzustand definieren

Unser Ziel war, einen neuen Ansatz zu entwickeln, der es für uns einfach macht, kontinuierlich bessere Erfinder:innen zu werden. Dies bedeutete eine Abkehr von unserem aktuellen Vorgehen, und zwar:

Von …

  • klassischen Jahresgesprächen
  • Leistungsbeurteilung durch distante Mitglieder der Geschäftsleitung
  • statischen Interviews
  • ungerechter und oberflächlicher Einschätzung der Leistung

Zu …

  • kontinuierlicher Begleitung durch das Jahr
  • positiver Herausforderung und Unterstützung durch relevante Peers
  • persönlichen Gesprächen zu individuell relevanten Themen
  • konstruktivem und zielgerichtetem Feedback

3) Prozess und Materialien entwickeln

Nun hatten wir alles, was wir benötigten, um konkret zu werden. Wir entwickelten daraufhin einen einfachen Prozess und unterstützende Materialien, mit denen wir gleich loslegen konnten. Wir führten Interviews mit Kolleg:innen, entwickelten Prototypen, testeten diese und verwarfen sie auch häufig schnell wieder. Schliesslich kamen wir bei diesem Prozess an:

Der Peer-Feedback-Prozess bei Creaholic

One more thing …

Für den Prozess und Materialien verwendeten wir zunächst PowerPoint. Einfach, allen bekannt und überall vorhanden. Doch wir stiessen dabei schnell an unsere Grenzen.

Daher entwickelten wir 2021 gemeinsam mit einer Kundin ein Software-Tool, das es für alle einfacher macht …

  • konstruktiv Feedback zu geben
  • Feedback auszuwerten und zu verstehen
  • zielführende Peer-Gespräche zu führen

Da wir mit Pulse Feedback schon ein Feedback-Tool hatten, integrierten wir Peer Feedback dort als neues Modul. Details zur App Peer Feedback findet ihr auf unserer Webseite und in dieser Präsentation.

Hier findest du eine Übersicht über unser Vorgehen:

Erarbeitung des Peer-Feedback-Prozesses bei Creaholic

Mit Peer Feedback haben wir bei unserem Performance Management einen grossen Schritt in die Zukunft gemacht

Jetzt kommt die Gretchenfrage: Hat’s etwas gebracht? Das können wir – nicht ohne Stolz – bejahen!

Das Feedback unserer Kolleg:innen (und mittlerweile auch Kund:innen des neuen Moduls) war sehr positiv:

  • Handlungsleitend und wirkungsvoll: bessere Entwicklungsgespräche und laufende Impulse für eine kontinuierliche Verbesserung.
  • Weniger blinde Flecken: Feedback geschieht viel häufiger und die Feedbackkultur verbessert sich.
  • Mehr Wertschätzung: Unsere Investition in Peer Feedback wird von den Mitarbeitenden als Investition in ihre Weiterentwicklung interpretiert.

Natürlich gab es auch ein paar Stolpersteine:

  • Feedback braucht Zeit. Es ist nicht immer einfach abzuschätzen, wie viel Zeit sinnvoll investiert werden sollte.
  • Feedback geben ist nicht einfach. Das Tool hilft, kann aber mangelnde Kompetenzen der Feedback-Gebenden nicht immer kompensieren.
  • Die optimale Balance zwischen Struktur und Freiheit im Prozess ist nicht einfach zu finden. Einige Mitarbeitenden wünschen sich mehr, andere weniger Struktur und Prozesse.

Fazit: Feedback macht uns besser

Mit diesem modernen Ansatz können wir nicht nur bessere Leistungen für unsere Kund:innen erbringen und effizienter zusammenarbeiten, sondern auch intern Innovation leben und kreative Lösungen entwickeln.

«Mit Peer Feedback wurden Feedback und kontinuierliche Entwicklung bei uns zum Normalzustand.»
Stephan Engl, Managing Partner & HR-Verantwortlicher bei Creaholic

Peer Feedback ist der nächste logische Schritt in unserem transparenten und kontinuierlichen Feedbackprozess, den wir vor einigen Jahren mit unserem Feedbacktool Pulse Feedback gestartet hatten. Wir leben Feedback, Zusammenarbeit und Performance Management intern so, wie wir es extern verkaufen. Dadurch können wir uns als attraktive Arbeitgeberin positionieren.

Literatur

Bildungsspiegel (2016). Studie: Leistungsbewertung noch zeitgemäss?

Cappelli, P. & Tavis, A. (2016). The Performance Management Revolution, Harvard Business Review, October 2016.

Mercer (2018). Performance Management im Umbruch.

Illustration mit einem Brief im offenen Couvert

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